NEIN, DANKE!!


Meine Freundin Heidi und ich wollen heute abend zusammen essen. Ja, das tun wir manchmal. Und da wir uns nicht allzu häufig sehen und wir beide immer einen reichlich zugepackten Alltag haben, dienen diese Treffen "zwei Zwecken": wir müssen mal nicht selber kochen und nichts auf den Tisch schleppen, ausserdem wollen wir quatschen. Viel und ohne Luft zu holen und auch beim Essen.
Diesmal gehen wir zum Spanier, das Restaurant heisst wie ein Insekt. Vielleicht sind deshalb alle so diensteifrig. Und flink. Und schnell lästig. Irgendwie. Mannmannmann, ich hab die Ommabrille noch nicht ganz auf der Nase, da werde ich schon das erste Mal gefragt, ob ich denn schon gewählt habe. Nein, sage ich sehr freundlich und lächle, noch nicht. Entspannt wende ich mich wieder der Karte zu. Meine Freundin ist schon ein bisschen weiter als ich, sie kann noch ohne Brille lesen, was sie essen soll.

Ich bin noch nicht über Seite eins der Vorspeisen hinaus, da tritt wieder eine Insektendame an unseren Tisch und fragt nach Getränkewünschen. Gefühlte drei Sekunden später kommt Moskito eins wieder und fragt, ob ich denn schon gewählt habe. Mein "Nein, noch nicht" fällt schon einen Hauch kühler aus. Meine Freundin kichert in ihre Karte. Ich atme durch, lese weiter. Die Getränke kommen. Sie auf dem Tisch zu plazieren, erfordert einen umfassenden Umbau der kompletten Dekoration. Jetzt reagiere ich schon leicht nervös. Das Teelichtgeschiebe dient keinesfalls der Entspannung. Und das Stück Ananas (ja, Ananas!!) an meiner Cola zero plumpst in die Cola - was ich zutiefst hasse. Also greife ich in mein Glas und fische die Ananas heraus, bevor der Zersetzungsprozess beginnt und ich mich übergebe. Meine Finger kleben. Moskito drei eilt heran und fragt, ob ich schon gewählt habe. Ich bin geneigt, zu fragen, ob man wissen will, welche Todesart ich für die Dame preferiere, um dem ganzen Gelaber und Geschiebe um mich herum ein Ende zu machen. Aber ich sag nichts, knurre nur "Nein, noch nicht!"

Irgendwann habe ich dann mein, zugegeben vorzügliches, Essen und eine ananasfreie Cola zero vor mir stehen. Wir beginnen mit dem üblichen Thema eins und haben noch keine vier Worte gewechselt, da surrt es neben meinem Ohr, Moskito eins ist wieder da und will wissen, ob wir noch etwas trinken wollen. Und so geht das jetzt im Minutentakt. Meine Hände zittern und ich beginne die Kontrolle über meine Stimmbänder zu verlieren, nachdem ich etwa fünfzehnmal gefragt worden bin, ob ich noch etwas trinken möchte, ob das Essen lecker sei und ob man schonmal diesen Teller wegnehmen dürfe.
Himmelkreuzdonnerwetter nochmal, bin ich hier auf dem Bahnhofsklo? Ich atme tief in mein Ying hinein, ganz tief. Dann schaue ich dem aktuellen Moskito lächelnd in die Augen. "Wenn Sie mir innerhalb der nächsten 30 Minuten noch eine einzige Frage stellen, erschieße ich erst Sie und dann mich und danach verwüste ich den Stadtteil in dem dieses verdammte Lokal steht!" krächze ich. Und das ist schon Körperbeherrschung. Der Moskito zischt flugs zum Nachbartisch. Der Herr dort brummt, er würde sich mir gern anschließen, was die Verwüstung beträfe, und falls er auch mal abdrücken dürfe, sei mir seine Dankbarkeit gewiss.

Meine Freundin giggelt: "Wenn sie gut drauf wäre, hätte sie gefragt, ob sie vorher noch etwas zu trinken bringen darf!"

Auf das Dessert haben wir dann sehr lange warten müssen. Alles rächt sich, heisst es.


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