Haare machen


Mein Sohn hat Haare. Rote Haare. Was sich auch in seinem Charakter widerspiegelt. Muss man sagen. Meistens trägt diese Tatsache zu extrem verstärktem Spaß bei. Wie letztens, als er eine Darth Vader Backform sah und fröhlich durch den Laden brüllte „Der Beweis! Auch auf der dunklen Seite gibt es Kuchen!“ Wenn knapp zwei Meter mit roten Haaren brüllen, dann haben alle was davon, und der Ein oder Andere springt schutzsuchend ins nächste Regal!

Aber manchmal, ganz manchmal führen rote Haare auch zu extrem verstärktem HubaHuba. Dann klopft er sich auf die Brust und will nicht … und wenn er nicht will, dann will er nicht. Eigentlich ganz einfach, oder?
Nun kann es aber, in seltenen Ausnahmefällen, sein, dass ich will, wenn er nicht will. Zum Beispiel, Haare schneiden. Ja, is schon gut … ich weiss es … Mütter wollen immer, Söhne nie. Ich will mich auch nicht verteidigen aber das Kind sieht ja nix. Gar nix … echt nicht! Er wächst schlicht und ergreifend einfach zu.

Ich bin mir vollkommen sicher, dass er phasenweise sein Zuhause nur am Geruch und an typischen Geräuschen erkennt, Freunde am Geschmack und Lehrer an garnichts. Er steht in der Küche und trinkt aus der Olivenölflasche und isst, statt der Chipse, das Hundefutter. Er küsst seine Schwester und versucht, meine Chucks anzuziehen. Und manchmal ist er für eine Weile einfach verschwunden. Er sagt dann, er sei bei einem Freund gewesen oder in der Stadt. Ich bin überzeugt, er hat irgendwo den Ausgang nicht gefunden …

Gestern waren wir also Haare schneiden. Schweigen herrscht im Auto, auf dem Weg zum Frisör – Minusgrade. Eiseskälte. Wir betreten den Laden. Mein Sohn setzt sich schweigend hin. Eine kleine eifrige Friseuse eilt herbei, fragt nach seinen Wünschen. „Fragen Sie meine Mutter“, sagt er, nur um mich zu ärgern und in eine ich-schäm-mich-jetzt-sofort-tot Situation zu bringen. Aber ich bin seine Mutter, seit 16 Jahren, ich habe Nerven wie Drahtseile. „Schneiden Sie was ab. Und er muss heute nicht in dem kleinen bunten Auto sitzen, er darf auf einen Stuhl!“ Knurren und Zischlaute aus dem roten Dschungel lassen die kleine Friseuse einen Meter hoch springen. Fast bin ich sicher, sie reicht mir die Schere und sagt, ich soll das mal schön selber machen. Aber das Mädel ist tapfer, zitternd nähert sie sich dem Vulkan und fragt, ob sie beginnen dürfe und ob er vielleicht bitte ganz ganz doll rechtzeitig sagen würde, wann genug ab sei. „Jetzt“, brummt es.
Ich grinse. Weil ich weiss, was als nächstes kommt. Sie besprüht ihn mit Wasser. Damit sie besser schneiden kann und fährt dabei den Stuhl ganz nach unten, sie reicht sonst nicht an den Kopf ran. An Frisörtagen schenken wir uns nichts. „Nicht zu viel Wasser“, sage ich deshalb, „das verträgt er nicht!“ „Bringen Sie die kleine fremde Frau hier raus, die hat mich schon auf der Straße belästigt“, dröhnt es aus dem roten Busch. Die Friseuse blickt mich irritiert an. „Das ist doch Ihr Sohn, ja?“ fragt sie leise, und ich nicke beruhigend. Das arme Mädchen …
Sie setzt die Schere an, und mein Sohn sagt nach etwa sieben Sekunden, nun sei es genug. Abrupt hört sie auf und rennt erleichtert zur Kasse. Ich zahle, und wir gehen – jeder hatte seinen Willen. Irgendwie. 


„Mann, is das kalt am Kopf“, sagt mein Sohn. 



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