Ein Schlumpfleben

Hin und wieder frage ich mich, warum mein Sohn jedesmal "Hier, ich bitte" schreit, wenn es darum geht, in der Schule auf einem Zettel zu stehen, auf dem man nicht stehen sollte und ganz sicher nicht stehen muss.
Wenn er nachmittags in aller Gemütsruhe verkündet: "Weisste, Mama,morgen hängen sie so Zettel in die Pausenhalle, da stehen alle aus meinem Jahrgang drauf, die direkt nach den Zeugnissen nochmal einen Extraberatungstermin haben", dann weiss ich, er ist dabei.
Er ist der, der vielleicht und aus Versehen die Sicherheitsglastür kaputt gemacht hat, er ist der, dem der overhead Projektor aus den Händen fällt, er ist der mit dem blauen Auge nach der Schlacht um Gerechtigkeit und der, der mich anruft und sagt, er habe soeben aus Prostest den Unterricht verlassen. Er ist der, der, wenn eine Lehrerin sagt, nur über ihre Leiche sei es möglich, seinem Wunsch nach einem bestimmten Tischnachbarn nachzukommen, gelassen antwortet "Das lässt sich einrichten!"
Er verpasst nach dem Schulschwimmen den Einsatzbus, er legt sich so mit dem Politiklehrer an, dass der in einem Gespräch mit mir beinahe kollabiert. Er ist der, der immer sagt, was er denkt, der seinen alten Lateinlehrer zutiefst verehrt, der, der niemals Kompromisse macht und der, wenn er Unrecht wittert, wie ein Bullterrier ist.

Er ist der rote Schlumpf, der immer in Schwierigkeiten ist. Wie oft ich ihn schon beim Rektor abgeholt habe, kann ich nicht mehr zählen. Letztens wurde mir ein Dauerstandplatz direkt am Schulhof angeboten und die Möglichkeit, in dem kleinen Raum neben dem Lehrerzimmer, eine Luftmatratze und einen Schlafsack zu deponieren. Damit ich nicht immer hin- und herfahren muss.

Letzte Woche rief der Direktor an, mein Sohn sei bei ihm und sie würden gemeinsam (business as usual) erst noch die Post sortieren, dann könne ich ihn abholen. "Was ist es diesmal?" habe ich geflüstert. Er habe die Deutschlehrerin darauf hingewiesen, ihre Art, zu unterrichten sei irgendwie zweckfrei, wird mir berichtet, mit einem eindeutigen Kieks in der Stimme. „Reaktion?“ murmle ich. Sie hat geantwortet, er solle es doch besser machen. "Kein Problem", hat mein Schlumpf gemeint und ist nach vorne gegangen, um den Unterricht zu übernehmen. Da hat sie ihn lieber zum Direktor geschickt ... wahrscheinlich hatte sie Angst, er könne recht behalten.

Die Religionslehrerin ist noch in Kur. Und der Politiklehrer hat die Schule längst verlassen.
Und mein Sohn möchte Museumsdirektor werden. Oder Lateinlehrer. Aber lieber Museumsdirektor.

Und ich sehe heute mal wieder so alt aus, wie ich bin. Aber das macht mir nichts aus!

Und Zeugnisse gibt es morgen. Der Extra-Schlumpftermin ist am kommenden Montag … :-)








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