Die Pudeldame


 Ich habe mich mit einer ehemaligen Schulfreundin in einem Bistro in der Stadt getroffen. Wir hatten uns seit Jahren nicht gesehen. Irgendwann rief sie mich unerwartet an. Wir haben gelacht und aus unserem Leben erzählt. Und dann waren wir verabredet.
Dabei habe ich es nicht so wirklich mit diesen "Damals dates". Weil die meistens furchtbar in die Hose gehen.

Jedenfalls sitze ich jetzt in meinem Lieblingsbistro, einen riesigen Cappuchino vor der Nase und puste gedankenverloren durch den schmalen, gerollten Keks, der immer auf der Untertasse liegt. "Mama, benimm dich", haben meine Kinder mich beschworen. Als würde ich je was anderes tun! Versonnen blicke ich auf meine roten Chucks und denke drüber nach, was ich gleich denn so essen könnte. Da sehe ich eine ältere Dame mit goldenen Schuhen und einem Pudel auf dem Kopf auf mich zukommen. Ich krampfe. "Nein, bitte nicht", murmle ich und weiss schon, es ist bitte doch.

Ja, es eilt strahlend auf mich zu. Ich starre nur auf die goldenen Slipper. Und auf die Haare. Es ist nämlich gar kein Pudel auf dem Kopf, es ist eine Frisur. Ich erhebe mich, krache mit beiden Kniescheiben gegen den Bistrotisch und werfe fast meinen Cappuchino auf den Herrn nebenan. Der grinst nur. Und der Pudel reisst mich in seine Arme, er hat mich gleich erkannt. Wir setzen uns, nur um beinahe direkt wieder aufzustehen. Dem Pudel ist es im Nacken zu kalt, weil es genau da, wo wir sitzen nämlich stark zieht, und das kann er nicht vertragen. Ich nehme ergeben meinen Cappuchino, der Lochkeks fällt mir natürlich auf die Erde. Die Bedienung guckt irritiert, während wir zwei weitere Stellen auf Zugluft überprüfen (ich merk eh nichts), bevor wir uns endlich niederlassen. 

Ich bin eigentlich extrem schämresistent aber jetzt fühle ich mich einen Hauch unwohl. Es ist doch irgendwie albern, ein ganzes Bistro zu durchstreifen, das nur ganz vorne am Eingang eine Glastür hat, um zu gucken, wo es ziehen könnte. Ich habe bis gerade eben noch niemals in meinem Leben einen Gedanken in diese Richtung verschwendet.

Nun sitzen wir. Das Bestellen dauert endlos, weil der Pudel gegen diverse Inhaltsstoffe allergisch ist und genau erfragen muss, was in dem jeweiligen Essen drin ist. Meine Füsse beginnen zu zucken, meine Bewegungen werden fahrig, ich werde gleich was sagen, ich spüre es. Die Bedienung ist vollkommen überfordert, wäre ich auch. Ich öffne den Mund. Mein Handy klingelt. SMS von meiner Tochter. "Isses schön?" "Nein, der Pudel mir gegenüber is vollkommen gaga und hat mehr gesundheitliche Probleme als der gesamte mittlere Osten", simse ich zurück und atme durch. Jetzt will der Pudel einen Tee. Mit richtig heissem Wasser. Aber keinen Beuteltee.

Nach gefühlten sieben Stunden hat sich alles irgendwie erledigt, und wir können uns gemütlich unterhalten. Mir fällt garnichts ein, was ich sagen könnte. Meine Kinder haben es mir ja verboten. Ich kann nichts zu den Schuhen sagen, nichts zum Pudel, nichts zum Ziehen oder zum Beuteltee oder dazu, dass man sich, wenn man kein Essen essen kann, vielleicht eine Kanüle legen lassen sollte ... ich lächle mich noch eisern durch die nächsten 15 Minuten und sage Nichtssagendes. Das Schlimme ist ja, dass die Pudeldame einfach nur meschugge aber nicht bösartig ist.

Heimlich auf dem Klo bitte ich dann meine Tochter, mir in einigen Minuten eine Notfall-SMS zu schicken.

Das tut sie auch, und mit einem "Ach, immer werde ich gebraucht" flüchte ich hinaus in die Nacht. 





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