Katastrophenblau


Meine Tochter hat den Führerschein gemacht. Und unsere Finanzen erlauben lediglich das Muttertochter-Carsharing. Fährt sie, kann ich nicht. Fahr ich, kann sie nicht. Irgendwie regeln wir das immer. Wenn unser Auto überhaupt fährt!
 
Denn das Objekt unserer Begierde ist ein dreizehn Jahre alter Renault scenic, knapp 200.000 Kilometer "weg", dunkelblau, verbeult, auf der Fahrerseite kann man praktischerweise das Fenster nicht mehr öffnen, die Beifahrertür muss man (will man sie nicht vom Bürgersteig sammeln) ganz langsam aufmachen, und die Sicherheitsgurte sind von Hand aufzurollen, die Tankklappe fiel letztens einfach ab. Tüv Termine lehren uns beten, kurze Röcke tragen und lächeln, lächeln, lächeln. Was die Lippen hergeben!

Vor der letzten großen Reparatur musste quasi immer einer von uns mit einem 10 Liter Kanister Öl unter der Motorhaube mitfahren und permanent nachkippen. Dieses Auto verlor Öl schneller als ein Politiker seine Glaubwürdigkeit.
Zu dritt mussten wir sowieso fahren. Generell. Einer am Steuer, einer unter der Haube mit dem Öl und einer aus dem hinteren rechten Fenster hängend (das sich glücklicherweise noch öffnen lässt) mit der Luftpumpe in der Hand. Denn der Reifen verlor Druck.
Ausserdem gab es noch dieses magische Lichtspiel. Blinkte man rechts, ging vorne links das Abblendlicht nicht, blinkte man garnicht, sondern bremste, ging die Innenbeleuchtung an. Hatte man abends Licht an, durfte man nicht bremsen, weil dann alles Licht ausging. Und man schloss sich von alleine im Wagen ein. Automatisch.

Und dann die Sache mit der Batterie. Die war kaputt. Eine Neue war in dem Monat nicht im Budget von uns Dreien. Also hat ein guter Freund eine alte Batterie aufgeladen und in den Kofferraum gestellt. So konnte ich mir selbst Starthilfe geben. Und das ging so:
Auto springt nicht an, ich gehe nach hinten, öffne die Heckklappe, hole die Batterie raus, wanke mit dem sauschweren Teil nach vorne zum Auto, stelle es keuchend ab, öffne die Motorhaube und klemme schwarz und rot an. Die Kabel habe ich von der geliehenen Batterie garnicht mehr entfernt, sondern sie hinter mir hergeschleift nach vorn. Dann rein ins Auto, Schlüssel drehen, Auto an, aussteigen, nach vorne gehen, Batterie abklemmen, nach hinten schleppen, nicht über das Starthilfekabel stolpern, alles ins Auto hieven, hinten Klappe zu, vorne Klappe zu und losfahren. Nach den ersten 65 mal habe ich mich nichtmal mehr geschämt. 
 
Bis auf das eine Mal, als ich den Parkplatz kaputt gemacht habe. Da steht man vor einem Kasten, aus dem man das Parkticket ziehen muss. Für mich sowieso nicht so dolle, weil mein Fenster ja nicht aufgeht. Also Tür auf, raushängen. Gang rausnehmen nicht vergessen, denn ich bin nicht lang genug, um einen Fuß auf der Kupplung zu haben, wenn ich das Parkticket um die Tür rum aus dem Kasten ziehe. Gang rausnehmen vergessen, Auto aus. Auto geht auch nicht wieder an. Also Aktion siehe weiter vorne.
Nun war es an diesem Parkplatz so, dass nach Ziehen des Tickets ein Poller im Boden versank und man drüberfahren konnte. Nach ungefähr zweidrittel der üblichen Autostartaktions-Zeit fuhr der Poller wieder hoch und blieb da auch. Um ihn wieder zu versenken, hätte man ein weiteres Ticket ziehen müssen aber das kam nicht aus der Kiste, weil ich ja schon eins hatte, ohne auf den Parkplatz gefahren zu sein. Irgendwie so - ganz verstanden haben wir es auch nicht. Aber peinlich war es. Vor allem, weil mein Sohn sich vor Lachen so krümmte, dass die Menschen in der Autoschlange hinter uns wahrscheinlich angenommen haben, der Knabe kommt nieder.

Das Ganz fand natürlich bei strömendem Regen statt. Was auch sonst ...

Ich habe, nachdem der Wagen an war, meinen immer noch vor Lachen am Boden liegenden Sohn eingesammelt und bin einfach weggefahren und erst nach gut zwanzig Minuten wiedergekommen. Da war der Parkplatz wieder heil, und ich konnte drauffahren und 40 Liter Öl kaufen und Beruhigungstee.

Mittlerweile ist unsere blaue Katastrophe komplett renoviert ... innerlich. Details wie Fenster oder fehlende Klappen bleiben, wie sie sind. Aber es ist nicht mehr so ultimativ komisch jetzt, sagt mein Sohn. 

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